Wie kommuniziere ich, wenn ein Familienmitglied nicht mehr zu erreichen ist?

Selbst in unserer aufgeklärten Welt, in der wir doch offen über alles reden (könnten), treffe ich immer wieder auf Fälle von jahrzehntelangen ungelösten Konflikten zwischen Geschwistern, zwischen Eltern und Kindern oder in Partnerschaften. Meisten liegen schon Jahre der Sprachlosigkeit zurück und nicht selten werden diese ungelösten Konflikte mit ins Grab genommen. Eine Möglichkeit ist es mit einen wohlmeinenden Brief den Auflösungsprozess in Gang zu bringen. Gerne kann ich Ihnen bei der Formulierung behilflich sein.

 

Ein Brief als Türöffner

Hintergrund bei untenstehendem Beispielfall war ein geschiedenes Elternpaar, das mit Ihrem über vierzigjährigen Sohn wieder eine vernünftige Kommunikation und Beziehung herstellen wollte. Die Frau schrieb an Ihren geschiedenen Mann:

 

Lieber H......,

 

nach unserem letzten Gespräch möchte ich das Thema mit unserem Sohn M. nochmal aufgreifen. Deshalb schreibe ich dir diesen Brief.


Ich glaube, wir hatten und haben (neben den schönen Zeiten) dieselben Sorgen und Probleme mit unseren Kindern wie andere Eltern auch. Manchmal verwächst sich das nach einer gewissen Zeit und manchmal dauert es länger. Und manchmal eben sehr lange, wie in unserem Fall. Alle Kinder haben Eltern, die, was Vorbild, Erziehung und Fürsorge Defizite hatten. Die Frage ist nur, wann und wie gelingt es die dadurch entstandenen Verletzungen zu heilen. Ich möchte, dass wir diesen Kreislauf von "Sich nicht verstehen", von "Nicht kommunizieren", von "Sich Vorwürfen machen" unterbrechen. Jeder von uns dreien trägt zu jeweils einem Drittel die Verantwortung für den heutigen Zustand unserer (Dreiecks-) Beziehung. Deshalb kommen wir auf unserem Weg, weg von der Konfrontation hin zur Kooperation, nur weiter, wenn jeder seinen Anteil an Verantwortung auf sich nimmt.

 

Ich glaube, wir müssen zuerst mal bei uns selber anfangen. Du und ich. Jeder bei sich. Wir haben Fehler gemacht. Jeder von uns. Dies alles können wir nicht mehr rückgängig machen. Wir können uns aber ab heute in eine neue Richtung bewegen. Meines Erachtens müsste das damit beginnen, dass wir uns selber verzeihen. Ich mir und Du dir. Wir haben getan, was in unseren Möglichkeiten lag. Jeder von uns wurde mit einer bestimmten Prägung in diese Welt geschickt. Dann waren da unsere Eltern und andere Vorbilder, die unser Verhalten und unser Weltbild geprägt haben. Wir haben es gut gemeint, wie alle anderen Eltern das auch tun.

 

In diesem Sinne übernehme ich die Verantwortung für meinen Anteil an allem was geschehen ist und was ich versäumt habe. In diesem Sinne will ich mir aber auch dafür verzeihen und ohne Schuldgefühle an der Aufarbeitung und Wieder-Gut-Machung arbeiten. Als Alternative zu Streit und gegenseitigen Vorwürfen möchte ich der Verständigung und dem "Sich-gegenseitig-Helfen" den Vorzug geben. Und ich möchte Dich bitten, dass wir beide uns gegenseitig für alles verzeihen. Das Verzeihen ist der erste Teil der Wiedergutmachung.

 

Wenn wir beide mit uns selber im Reinen sind und wir gegenseitig einen guten, verständnisvollen Umgang zulassen können, dann können wir auch auf unseren Sohn zugehen und ihm zu helfen, dass er mit sich und mit uns ins Reine kommt. Ich bin durch meine jetzige Nähe mit ihm öfters mit ihm im Gespräch und werde entsprechend auf ihn zugehen. Vielleicht kannst auch Du ihm mitteilen, was Du aus Deinen heutigen Erkenntnissen heraus anders machen würdest. Möglicherwiese, dass Du verhindert hast, dass er eine Pilotenausbildung machen durfte. ... Ich glaube, wir dürfen uns und ihm unsere eigenen Schwächen und unsere Unzulänglichkeiten eingestehen.

 

Wie sonst, kann er das ohne Schuldgefühle bei sich selber tun. Letztlich muss er die Verantwortung für sein Leben selber in die Hand nehmen. Auch er wird nicht umhin kommen zuerst sich selber zu verzeihen, sich keine Vorwürfe zu machen. Aber auch er muss seinen Teil der Verantwortung übernehmen. Danach kann auch er uns verzeihen. Ich glaube, nur so können sich unsere Familienverstrickungen langsam auflösen.

 

 

Liebe Grüße von B.

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